Dez 012022
 

Zur Bedeutung des Arbeitsrechts an Ex-HWP und heute Fachbereich Sozialökonomie referiert:
Prof. Dr. Karl-Jürgen Bieback, Professuren für Öffentliches Recht, Sozialrecht und Arbeitsrecht an der Universität Hamburg und der Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik (dort u.a. Vizepräsident)

Dienstag, 6. Dezember 2022, 18 Uhr, Raum S08, Fachbereich Sozialökonomie, Von-Melle-Park 9

Im Winter 2023 soll die Professur für Arbeits- und Sozialrecht im Fachbereich Sozialökonomie ersatzlos gestrichen werden. Seit dem 1.10.22 ist der Schwerpunkt Rechtswissenschaft im Bachelor Sozialökonomie abgeschafft und sind Kurse für Arbeitsrecht in der Studienordnung nicht mehr enthalten. Das werden wir nicht hinnehmen. Wir streiten für den Aus- statt Abbau der sozialökonomischen Rechtswissenschaft und wollen dafür in dieser Veranstaltung die Bedeutung einer an den Interessen von Arbeiter*innen orientierten Arbeitsrechtswissenschaft diskutieren.

Die Sozialökonomie wurde 1948 als Akademie für Gemeinwirtschaft gegründet, mit den Disziplinen VWL, BWL, Soziologie und Recht, für umfassende Bildung (offen für Arbeiter*innen) und Wissenschaft für den gemeinwirtschaftlichen Sektor. In der heutigen Vielfachkrise brauchen wir mehr denn je interdisziplinär eingebettete Rechtswissenschaft vom Standpunkt der Arbeiter*innen! Wer im Studium bspw. seine Rechte in „Einführung in das Arbeitsrecht“ kennenlernt oder auf die gewerkschaftliche Handlungsmacht in „Kollektives Arbeitsrecht“ stößt, wird anschließend mit erhöhtem (kollektivem) Selbst-Bewusstsein agieren.

Arbeitsrecht ist die Verdichtung des Kräfteverhältnisses zwischen Arbeiter*innen/Gewerkschaften und Unternehmen. So gelangen auf den Schwingen der 68er-Bewegung in den 70er Jahren zahlreiche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, wie z.B. die Beschränkung der Leiharbeit auf drei Monate durch das Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz. Wohingegen im Zuge der neoliberalen Wende in den 80ern die Arbeiter*innenrechte massiv eingeschränkt wurden.

An der Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) – der Vorgängerin des Fachbereichs Sozialökonomie – wurde sich an diesen Auseinandersetzungen aktiv beteiligt. Zahlreiche gewerkschaftlich aktive (ehemalige) Studierende waren zentrale Akteure in Tarifauseinandersetzungen. Es gab 12 Professuren (heute noch 3) im Fachgebiet Recht, davon allein fünf im Bereich Arbeitsrecht (heute noch 1). Laut Forschungsbericht 1983-85 wurde gearbeitet „zu Problemen des Arbeitskampfrechts, Problemen des Rationalisierungsschutzes, über Fragen des arbeitsrechtlichen Status von Beamten bis zur Mitarbeit bei der Erstellung eines Kommentars zum Tarifvertragsgesetz. […] Arbeitnehmerorientierte Forschung wird an der Hochschule nicht ‚über‘ Arbeitnehmer betrieben, sondern meistens in Kooperation mit den Interessenorganisationen der Arbeitnehmer zur Lösung von Problemen bzw. zur Erarbeitung von Argumenten in der politischen Auseinandersetzung.“

Auch für das heutige Engagment für gute Arbeit – gegen Prekarisierung, Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit – in Form tariflicher Kämpfe für mehr Personal und Entlastung im Krankenhaus oder Arbeitszeitverkürzung und mehr Mitbestimmung, ist eine parteiliche Arbeitsrechtswissenschaft von zentraler Bedeutung!
Daher wollen wir uns folgenden Fragen widmen: Was kann man sich unter Arbeitsrechtswissenschaft vom Standpunkt der Arbeiter*innen bzw. der Gewerkschaften vorstellen? Welchen Beitrag hat die Arbeitsrechtswissenschaft in der HWP für den gesellschaftlichen Kampf um gute Arbeit und soziale Entwicklung geleistet? Wie sah das Konkret in Forschung, Lehre und Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren aus? Was kann man aus dieser Praxis für heute lernen? Und auch: Was können wir gemeinsam unternehmen, um die Wiederbesetzung der Arbeitsrechtsprofessur schnellstmöglich in die Wege zu leiten? Siehe dazu auch die Kampagne und Hintergrund-Infos unter: fsr-sozialoekonomie.de/rechtsschwerpunkt/


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